Explizites Denken: Dritter Schritt zu einer gesamtheitlichen Wertschätzung des Lebens
Das grosse Staunen beim Betrachten des Sternenhimmels
Den dritten Schritt können wir für uns dadurch erkennbar machen, indem wir in einer klaren Nacht den Sternenhimmel betrachten. Dann zeigt sich ein Fenster zum Kosmos. Es erlaubt uns einen Blick in die unglaubliche Weite des Alls. Gleichzeitig überkommt uns ein grosses Staunen, wenn uns die wahren Ausdehnungen des Daseins bewusst werden. Auch nichtgläubige Menschen empfinden dabei in der Regel ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht.
Wie es so weit gekommen ist? Die Astrophysiker sind ziemlich sicher, dass alles vor ca. 14 Milliarden Jahren begonnen hat. Höchst wahrscheinliche Tatsache ist, dass ein Urknall der Beginn dessen war, was uns, unsere Welt und unser Universum ausmacht. Der Zeitraum von so vielen Milliarden Jahren übersteigt allerdings unsere Vorstellungskraft. Genauso wenig vorstellbar ist, was damals vorging, nämlich dass eine Sekunde nach dem Urknall die Ausdehnung des Universums nur so gross war, dass es in einem Volumen von einem Zehntel unserer Sonne Platz gehabt hätte und unser Galaxie – die Milchstrasse – etwa faustgross war (dem Versuch des sich Vorstellens kann etwas nachgeholfen werden, wenn man bedenkt, dass die Atome überwiegend leerer Raum sind, und dass sie sich immer enger zusammenpressen lassen, wenn genügend Energie aufgewendet wird, um die Kräfte zu überwinden, die die Bestandteile auf Abstand halten). Nach dem Urknall expandierte der Raum und zwang die Teilchen, sich immer weiter voneinander zu entfernen. Zum Glück wirkte die Gravitationskraft der Ausdehnung entgegen, die dafür sorgt, dass die Teilchen durch ihre gegenseitige Anziehung aneinander gebunden bleiben. Diese Ausdehnung musste genau austariert sein. Wenn die Expansion Oberhand behalten hätte, wären die Teilchen immer weiter auseinander gedriftet und die Gravitation zwischen ihnen wäre immer schwächer geworden. Galaxien hätten sich dann nicht bilden können. Hätte umgekehrt die Gravitation Oberhand behalten, so hätten sich die Sterne und Galaxien vorübergehend gebildet, früher oder später hätte die Masse aber stark zugenommen und das Universum wäre in einem gigantischen Endknall implodiert.
Rasante Ausdehnung des Alls
Ist es irgendwie nachvollziehbar, dass sich das für uns sichtbare Universum seither rasant ausdehnte auf fast dreissig Milliarden Lichtjahre (in einem Jahr legt Licht eine Strecke von zehn Billionen Kilometern zurück, bei einer Lichtgeschwindigkeit von fast 300’000 Km pro Sekunde) und sich in grosser Geschwindigkeit weiter ausdehnt? (Dabei ist nur die Rede vom sichtbaren Universum; möglicherweise ist es noch viel grösser, da das Licht von weiter entfernten Teilen des Universums noch nicht bis zu uns gelangen konnte). Ist es vorstellbar, dass allein unsere Galaxie etwa hundert Milliarden Sterne umfasst, und im Universum rund hundert Milliarden Galaxien mit jeweils hundert Milliarden Sternen ‚verpackt’ sind?
Existenz der Erde: Alles andere als selbstverständlich
Auch dass es unsere Erde gibt, so wie wir sie kennen, ist alles andere als selbstverständlich. Wenn wir kurz resümieren, welche Bedingungen erfüllt sein mussten, dass unser Planet bis heute überlebte und hier nun die für uns nötigen Lebensbedingungen herrschen, so stellen wir fest, dass der blaue Planet – unser Planet – vergleichsweise einzigartig ist inmitten der Milchstrasse:
- Wir können von Glück reden, dass wir im sogenannten ‚Grüngürtel’ der Milchstrasse wohnen, will heissen, in einem Bereich, wo es keine Sterne gibt, die sich in allzu grosser Nähe befinden und womöglich als Supernova explodieren könnten. Dank dessen dreht sich die Erde seit mehr als 4.5 Milliarden Jahren stabil, in leicht elliptischer Bahn, um die Sonne.
- Dank einer fast kreisförmigen Bahn um die Sonne ist die Erde in der Zeit ihrer Entstehung nicht in die Sonne hinein gestürzt, wie das bei anderen Protoplaneten geschah (es gab auch solche mit ungünstigen elliptischen Bahnen, die immer wieder mit anderen zusammen stiessen und schliesslich verschwanden).
- Wir können froh sein um unseren Mond, der im Vergleich zu Monden anderer Planeten vergleichbarer Grösse sehr gross und schwer ist. Er stabilisiert die Achse, um die sich die Erde dreht. Wäre dies nicht der Fall, wäre es sehr unwirtlich bei uns: Dauersturm, eisige Vergletscherung oder aber totale Verwüstung. Leben auf unserer Entwicklungsstufe wäre undenkbar.
- Die Lieferung von Wasser (durch Asteroide, die in die Erde rasten) erfolgte zum richtigen Zeitpunkt, als sich die glühend heisse Erdoberfläche soweit abgekühlt hatte, dass das Wasser nicht verdunstete. Dass das Wasser in flüssiger Form vorhanden blieb (und somit Leben ermöglichte) verdanken wir auch dem richtigen Abstand zur Sonne (nicht zu heiss, nicht zu kalt).
Ausbrechen au der Blase
Es lohnt sich wohl, immer wieder einmal vor dem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen, was die Dimensionen des Daseins wirklich sind. Somit verfügen wir über eine weitere Quelle für einen gedanklich erweiterten Zugang zu uns selbst und zur Mitwelt, der auf dem Staunen über das – im Grunde genommen – Unfassbare des Daseins aufbaut. Auch diese ermöglicht uns, wenn nötig auszubrechen aus der Blase; in Gedanken einen Schritt zurück machen, wenn psychische Überlastung droht; sich auf eine andere Ebene der Wahrnehmung begeben.