Explizites Denken: Zweiter Schritt zu umfassender Wertschätzung des Lebens
Die Gegenwart explizit vor Augen führen
Das ganze Gefüge, welches weit über das hinaus geht, was wir gemeinhin als unseren Alltag bezeichnen: Grundsätzlich weiss der aufgeklärte Mensch Bescheid; dass es vor Milliarden von Jahren einen Urknall gegeben haben muss und einige Milliarden Jahre später die Welt geboren wurde. Ebenso ist klar, dass irgendwann einmal erstes Leben entstand und die Natur seither im Sinne der Darwin’schen Evolutionstheorie sich bis heute immer weiter entwickelt hat. Es wird als selbstverständlich hingenommen, dass es in etwa so gelaufen ist. Aber wer macht sich Gedanken darüber, was die unendlich lange Geschichte des Lebens auf der Erde für sich selbst bedeutet? Wer versucht, die eigene Existenz in diesem Sinne zu würdigen? Sich zu vergegenwärtigen, wie es so weit kam, dass es uns gibt? Wer ist sich im Klaren darüber, was es eigentlich heisst Mensch zu sein?
Eigene Existenz umfassend würdigen
Man kann postulieren, dass sich unsere Existenz nicht wirklich verstehen und umfassend würdigen lässt ohne Bezug zu dem, was war, bevor es uns gab. Damit verankern wir unser Dasein. ‚Die Existenz ist geschichtlich’, so der Philosoph Karl Jaspers. Und er stellt fest, dass die Geschichtlichkeit der Existenz darin besteht, dass wir gewissermassen die Gestalt des Daseins übernehmen, wie es sich aus der Geschichte ergeben hat, insbesondere auch unser Bewusstsein, bzw. alles, was unser geistiges und körperliches Wesen ausmacht. Damit einher geht eine Ehrfurcht vor der ‚All-Natur’ bzw. das Gefühl, eingebettet zu sein in ein grosses Ganzes, gewissermassen als Ausdruck einer ‚Weltfrömmigkeit’ (Jaspers 2003).
Eigendynamik der Natur führt zu enormer Komplexität unseres Daseins
Grundsätzlich stellt sich die Frage: Kann das Leben – und somit das, was sich in der Gegenwart abspielt – überhaupt logisch erklärt werden? Funktioniert das, ohne dass ein göttlicher Funke das Leben gezündet hat? Die Antwort aus naturwissenschaftlicher Sicht ist klar ja. Der Ausdruck ‚göttlich’ ist meines Erachtens dennoch nicht ganz falsch. Denn die Erklärung dafür ist eigentlich so erstaunlich, dass dieser Ausdruck durchaus verwendet werden darf. Göttlich darum, weil der Mensch gewissermassen als Krönung der stammesgeschichtlichen Entwicklung (sog. Phylogenese) ein Wesen darstellt, das zu erschaffen eigentlich unvorstellbar ist. In der Tat erscheint es unwahrscheinlich, dass solch komplexe Systeme wie der Mensch ‚einfach so’ entstehen konnten. Dabei wird allerdings ausser Acht gelassen, dass der Natur für die Entwicklung von uns Menschen praktisch unendlich viel Zeit zur Verfügung stand, sie also unermesslich lange ‚pröbeln’ konnte, und sich mit der Zeit eine Eigendynamik entfaltete, die spektakuläre Ausmasse annahm. Wer sich diesen Umstand vor Augen führt ist jedenfalls in der Lage, eine grosse Klammer um die enorme Komplexität unseres Daseins – und somit unseres gegenwärtigen Erlebens – zu machen (in etwa so, wie es die Religionen ermöglichen).
Umfassendes Wissen dank kollektiver Intelligenz
Das heute vorhandene Wissen darüber ist das Ergebnis von unzähligen, weltumspannenden Forschungsbemühungen, die seit Jahrhunderten immer mehr Puzzle-Teile eines grandiosen Wissensfundus zusammen brachten. Dies im Rahmen der Kulturgeschichte der Menschheit, die geprägt ist durch den Drang, die Welt besser zu verstehen, und sie somit beherrschbarer zu machen. So wie die Natur mit unzähligen Objekten (sprich Lebewesen) laborierte, und damit die Entwicklung vorantrieb, so hat es auch der Mensch geschafft, mittels der kollektiven Intelligenz der Erdenbürger unglaubliche Fortschritte im Bereich der Wissenschaft zu erzielen und somit zu zentralen Erkenntnissen darüber zu gelangen, wie es dazu kam, dass es uns gibt.